Lange gearbeitet, kleine Rente – Was Politik den Menschen in Marzahn Hellersdorf schuldet
Viele Menschen in Marzahn Hellersdorf wissen sehr genau, wie sich Unsicherheit vor der eigenen Rente anfühlt. Wer in der DDR gearbeitet hat, nach der Wende den Arbeitsplatz verloren hat, später in Maßnahmen, Minijobs oder zu niedrigen Löhnen gelandet ist, bekommt heute oft nur eine Rente knapp über der Grundsicherung. Viele, die jetzt Mitte fünfzig oder Anfang sechzig sind, sehen genau diese Perspektive auf sich zukommen. Die Frage lautet dann: Reicht es für Miete, Strom, Einkäufe und ein bisschen Leben, oder wird jede Rechnung zum Problem?
Genau für diese Biografien hilft auch die gesetzliche Rente, denn sie erkennt Zeiten der Kindererziehung an, der Arbeitslosigkeit und leistet eine Rente, wenn man früher erwerbsunfähig wird. Sie ist kein Almosen, sondern ein Anspruch aus jahrzehntelangen Beiträgen. Mit dem Rentenpaket 2025 hat die SPD in der Bundesregierung durchgesetzt, dass das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent gesetzlich gesichert wird. Die Mehrausgaben werden zum großen Teil mit Steuermitteln ausgeglichen. So wird verhindert, dass die Renten von der Lohnentwicklung abgekoppelt werden und Altersarmut noch stärker um sich greift.
Die Junge Union greift diese Stabilisierung an und behauptet, sie sei ungerecht gegenüber den Jüngeren. Sie will ab 2032 so tun, als hätte es die Haltelinie nie gegeben. Ohne diese Sicherung würde das Rentenniveau bis 2031 um rund einen Prozentpunkt niedriger liegen. Ab 2032 würde dann von diesem niedrigeren Stand aus weitergerechnet. Die heutigen jungen Beitragszahler würden also mitfinanzieren, im Alter aber selbst auf ein abgesenktes Niveau treffen. Die SPD bewertet das ausdrücklich als Gegenteil von Generationengerechtigkeit.
Gern wird außerdem behauptet, die Rentenausgaben würden explodieren. Der Blick in die Zahlen zeigt etwas anderes. Der Anteil der Rentenausgaben an der gesamten Wirtschaftsleistung ist in den letzten zwanzig Jahren von 10,8 auf 9,2 Prozent gesunken. Auch der Anteil der Bundeszuschüsse am Bruttoinlandsprodukt ist zurückgegangen. Der Beitragssatz liegt seit vielen Jahren stabil bei 18,6 Prozent. Für die kommenden Jahre ist zwar ein moderater Anstieg der Beiträge vorgesehen, doch entscheidend für die Zukunft der Rente bleiben gute Löhne, viele sozialversicherungspflichtige Jobs, Qualifizierung, gleiche Chancen für Frauen und eine kluge Zuwanderungspolitik.
Die gesetzliche Rente funktioniert im Umlageverfahren. Die Beiträge von heute finanzieren die Renten von heute. Im Gegenzug erwerben die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler einen rechtlich geschützten Anspruch auf ihre eigene spätere Rente. Es gibt keinen großen Kapitalstock, der am Markt angelegt wird. Dieses Verfahren war eine bewusste Entscheidung, auch für den Grundsatz, dass die Renten von den Wohlstandsgewinnen der jeweils aktiven Erwerbstätigengeneration nicht abgekoppelt werden. Gerade deshalb trägt der Staat eine besondere Verantwortung: Er darf die Menschen nicht nachträglich dafür bestrafen, dass sie auf die gesetzliche Rente vertraut und konsequent eingezahlt haben.
Sozialdemokratische Politik muss dieses Versprechen halten und zugleich weiterdenken. Für Marzahn Hellersdorf heißt das: Rentenniveau stabilisieren, Gute Arbeit stärken, Tarifbindung für bessere Löhne ausbauen, Altersarmut bekämpfen und die Lebensleistung von Menschen mit Ostbiografie sichtbar anerkennen. Dazu gehören klassische Instrumente der Rentenpolitik und neue Ideen, die in das bestehende System passen.
Ein Baustein kann bei den Langzeitkonten ansetzen, die es in vielen Betrieben bereits gibt. Auf diesen Konten sammeln Beschäftigte Überstunden, Mehrarbeit oder Teile des Entgelts. Das Guthaben kann heute schon genutzt werden, um sich innerhalb des Erwerbslebens Zeit zu kaufen, zum Beispiel für ein Sabbatical, eine Pflegephase oder eine Auszeit für Weiterbildung. Dieser Nutzen soll bleiben. Nach meiner Vorstellung kommt etwas hinzu: Wer möchte, soll einen Teil seines Guthabens gezielt in die gesetzliche Rentenversicherung übertragen können, statt es nur im Betrieb zu belassen.
Das wäre eine zusätzliche Wahlmöglichkeit, keine Pflicht zu Mehrarbeit. Überstunden müssen begrenzt, bezahlt und mitbestimmt bleiben. Auch in Betrieben ohne Betriebsrat braucht es klare gesetzliche Regeln, damit Beschäftigte ihre Guthaben freiwillig in Richtung Deutsche Rentenversicherung lenken können. Jede Stunde Mehrarbeit oberhalb einer Grenze X könnte auf Wunsch zusätzliche Ansprüche in der gesetzlichen Rente schaffen. In Phasen der Freistellung würden Beiträge weiterlaufen. Brüche in der Erwerbsbiografie würden sich weniger stark auf die Rente auswirken.
Gerade für die Menschen in Marzahn Hellersdorf, die viel gearbeitet haben und trotzdem nur eine kleine Rente erwarten, ist das entscheidend. Die gesetzliche Rente bleibt die starke erste Säule. Sie wird nicht geschwächt, sondern durch kluge, solidarische Ergänzungen gefestigt. Das ist der Kern eines sozialdemokratischen Blicks auf die Rente: Lebensleistung anerkennen, Sicherheit im Alter geben und das Versprechen des Sozialstaats gegenüber den Menschen hier vor Ort verlässlich einlösen.
Enrico Bloch